Der Artikel über eine Klettergebietstour hatte mich im vergangenen Jahr wenig berührt, doch plötzlich, Ende April fiel er mir wieder ein und der Gedanke etwas Ähnliches zu vollbringen, ließ mich nicht mehr los. Mit einer puren Nachahmung wollte ich mich aber nicht begnügen. Vielleicht könnte man nicht nur pro Gebiet einen Felsen nur erklimmen, sondern diesen auch noch mindestens über eine Acht? Das wär's! - Doch geht das überhaupt? Einen Tag später hatte ich mir eine Strecke ausgedacht - insgesamt 60km. Jetzt kamen die ersten Zweifel - 60 km viele Anstiege, das sind bestimmt 14h Wandern, bleiben noch 10h für 13 Kletterwege - 3 davon in der Nacht. Wenn alles gut vorbereitet werden würde, so hoffte ich noch immer, wäre es vielleicht doch möglich. Anfang Mai lief ich allein die Strecke ab, ging zu allen Einstiegen hin und sah mir die Kletterwege an und benötigte knapp 13h mit 30min Pause, konnte aber nachher kaum noch gehen - an Klettern nicht zu denken. Die Tour wurde in der Folge noch mehrfach optimiert und ein aufgestellt. Etwa 40min für jeden Kletterweg mußten reichen. Die Wege durften nicht zu lang sein, zügiges und konzentriertes Klettern, kein langes Probieren vorausgesetzt. Daß das Unternehmen nur von einer Zweierseilschaft durchgeführt werden konnte war klar, doch wer außer mir glaubte schon an das Gelingen einer solchen Tour und war auch bereit sich diesen Strapazen auszusetzen - der Achim. Jetzt blieb uns noch ein Monat des Wartens, schließlich wollten wir möglichst den längsten Tag nutzen. Um nicht an schlechtem Wetter zu scheitern, wurden noch die Wochenenden vor und nach der Sonnenwende eingeplant. An einem Nachmittag wurden schon mal die "Nachtgipfel" in einer Drei-Gebiete-Tour geklettert, um nicht im Dunklen vor unüberwindbaren Hindernissen zu stehen und auch die Wege zu finden. So würden wir wenigstens keine Karte und Kletterführer mitnehmen müssen. Doch es sollte alles anders kommen. An den drei geplanten Wochenenden machte schlechtes Wetter am Vortag alle Hoffnungen zunichte und auch am vierten - dem Nottermin - regnete es. Einmal waren wir schon von Dresden bis Struppen gefahren als wir bei starkem Regen wieder kehrt machten und nach Mitternacht nur noch von der Tour träumen konnten. Für Achim war damit die Zeit vorbei, denn den Jahresurlaub deswegen zu verschieben wäre Unsinn gewesen. Auch ich hatte nur noch wenig Hoffnung, schließlich wurden die Tage schon wieder kürzer und wer würde kurzfristig einspringen können. Einen letzten Versuch machte ich noch. Am Mittwoch abend beim wöchentlichen Klettererfußballspielen auf den TU-Sportplätzen erläuterte ich Moritz den Plan. -"Das ist jetzt zu kurzfristig" - dann - "Hm, eigentlich Zeit hätte ich schon" - und etwas später - "OK. Ich bin dabei". Und diesmal spielte das Wetter mit.

Später Abend - Ulli kann sich noch auf dem Beifahrersitz auf eine einsame Rückfahrt vorbereiten, wärend ich mit dem Licht des guten alten Polo zu kämpfen habe und wir uns stetig unserem Ziel nähern. Unterwegs in einem Feld bei Struppen und in einem Holzhaufen bei Bad Schandau legen wir zügig zwei Getränkedepots an. und pünktlich, kurz vor Mitternacht hält der Wagen an. Hinterhermsdorf. Zwei Gestalten tappen in die Finsternis davon, ein Auto verlässt den Platz, Stille. Daß wir die Wechselsocken noch brauchen würden, war klar, als wir mit total nassen Schuhen am Dorfbachstein ankamen. Die moosgrüne Schartenseite hatte sich gut auf unser Kommen vorbereitet - feucht und schmierig. Es hatte wohl am Abend ein sehr lokalen Regenguß gegeben. Zittriges Licht von Stirnlampen, verhaltenes Fluchen, Verzweiflung, dann ein "Dynamo" - ab geht's krachend in die finstere Scharte, der Ring hält. Mist. So war das nicht geplant. Viele Versuche - alle enden gleich und die Zeit rennt davon. Endlich gelingt der entscheidende Zug und noch vor 1Uhr ist dieser hartnäckige Fels bezwungen. Im Großen Zschand am Gewitterstein erwartet uns trockener Fels und viel schneller als gedacht können wir dort nach Überwindung der Schartenwand unsere Tour fortsetzen. Als der Bewegungsmelder am Zeughaus die Beleuchtung einschaltet erwarten wir lautes Gebell, doch alles schläft ruhig weiter. An der Teichsteinnadel müssen wir auf die Dämmerung warten, die durch dichte Wolken noch hinausgezögert wird. So können wir erstmal in Ruhe frühstücken. Beim Klettern wenig später muß ich zwar noch die Augen in die Hand nehmen und die Tritte ertasten, doch jetzt macht es richtig Spaß und die größten Hürden, die Nachtwege, sind genommen. Wir liegen mehr als eine halbe Stunde hinter unserem Zeitplan zurück. Das macht uns etwas Sorgen, doch als Moritz bei Sonnenaufgang die "Eiserne Maske" an der Wartburg in kürzester Zeit onsight klettert ist alles wieder im Lot. Die weiteren Etappen sind Heringsgrundwächter - Blanker Genuß, Gamshornwächter - Ostkante und nach langer Wanderung durch die Wilde Hölle und später an der Wildwiese vorbei, Oberer Lagerwächter - Gernegroß. Dort am Falkenstein pellen sich gerade einige Boofer in der Morgensonne aus ihren Schlafsäcken. Wie kann man nur so dermaßen die Zeit vergeuden und erst jetzt aufstehen, da haben andere schon ein halbes Dutzend schwerer Wege geklettert, grins ... Eine weitere kleine Mahlzeit soll Kraft spenden für die 10km bis zum nächsten Gipfel. Über Ostrau erreichen wir unser Getränkedepot in Bad Schandau und freuen uns, die Saftflaschen aus dem Holzhaufen wühlend, das alles so gut läuft. Dicke Wolken lassen uns immer wieder besorgt zum Himmel schauen, denn ein kräftiges Gewitter in Wehlen oder Rathen würde die ganze Sache beenden. Aber noch hält das Wetter und am Polenztalwächter scheint die Sonne brennend auf uns hernieder. Unser Weg ist in der Scharte also im Schatten. Zwei Wege sollte es in dem betreffenden Wandstück geben (beides Achter) - aber es sind drei. Wir wollten uns den optisch besseren heraussuchen mehr wissen wir sonst nicht von der Wand. Was solls, wir nehmen den mittleren und haben Glück. Es wird die 4.Begehung auf "Erfrischung" VIIIa-b. Punkt 12Uhr sitzen wir zufrieden auf dem Gipfel und haben etwas Zeit, da die Abseile gerade belegt ist. Über den Ziegenrücken kommen wir nach Rathen und fühlen uns etwas vor den Kopf gestoßen durch den ungeheuren Andrang von Touristen. Größtenteils waren wir bisher allein unterwegs, im Polenztal einige Wanderer und dann das. Schnell weg. An der Kraxelbrüderscheibe sind wir wieder für uns. Gut 40 Klettermeter liegen vor uns, der Weg ist direkt und sympathisch aber nicht ganz einfach. Eine Stunde Genußkletterei, die wir uns leisten können. Im Wehlener Gebiet wird es kritisch. Die "Heißen Stunden" waren vorgesehen, schrecken uns aber doch etwas ab. Eine andere Acht muß her. Glücklicherweise hatten wir uns genau dafür eine Alternative überlegt, doch auch die wirkt wenig verlockend. "Putzfimmel" das sagt schon einiges über den Weg, denn wer den nicht hat rollt mit viel Sand wieder zum Boden. Was nun. Dunkle Wolken ziehen heran und es beginnt zu tröpfeln. Als es aber gleich wieder aufhört, packt er mich - nein nicht der Moritz sondern der Putzfimmel und auch wenn der Fels nachher noch genauso schlimm aussieht wir dreckige und sandige Hände haben, ist auch eine der letzten Hürden genommen. Wieder unterwegs prasselt die Sonne unbarmherzig auf uns herab und auch ein Eis an der Fähre in Wehlen bringt kaum Erleichterung. Die Getränke sind fast aufgebraucht aber bis zum nächsten Stützpunkt ist es noch ein Stück. Wir liegen gut im Zeitplan und haben daher die Hoffnung alle restlichen Wegen noch bei Tageslicht klettern zu können. Doch müssen wir uns etwas beeilen. Moritz legt einen zackigen Wanderschritt ein, als würde die Tour gerade erst anfangen. "Immer der Straße nach" heißt lange die Devise und nur das Einsammeln der Getränke aus dem Weizenfelddepot bringt eine kurze Rast. Am Schiefen Block kommen wir gar nicht erst zur Ruhe, klettern parallel und solo den "Boulder" schlappen wieder in die Turnschuhe und weiter gehts. Die Ettappe zum "Dieb" wird lang. Ein klein wenig kühler wird es nun schon und durch eine große Wolke vor der Sonne noch etwas angenehmer. So läßt es sich gut wandern und selbst mit Rast auf einer gemütlichen Bank in Raum erreichen wir den Dieb eher als gedacht. Wir machen "Fette Beute". So heißt zumindest der Weg, der es etwas in sich hat und zu diesem Zeitpunkt die Konzentrationsfähigkeit auf die Probe stellt. Den idyllischen Diebsgrund geht's zurück und geradewegs hinein ins Bielatal zum Vorderen Schroffen Stein. Es ist halb Zehn, der letzte Gipfel. Die Dämmerung bricht schnell herein. Routiniert gehts wie schon so oft an diesem Tag zur Sache die Handgriffe sitzen. Moritz läßt mir den Vortritt an diesem abschließenden Weg und muß die "Neue Südwestwand" kurz darauf schon mit Stirnlampe klettern. Im letzten Abendlicht schreiben wir uns ins Gipfelbuch ein, genießen kurz den Augenblick, müssen aber noch abseilen. Ulli und Birk, die schon nachmittags von dicken Regenschauern fast vom Kreuzturm gespült wurden hatten uns schon erwartet und freuen sich nun mit uns über die gelungene Tour. Mit Blitzlicht wird der Moment noch schnell auf Foto gebannt. Dann erlischt schnell jeglicher weiterer Elan. Als der Wagen die Schweizermühle passiert ist Moritz schon verstummt und wenig später mag es nur mehr ein Zwiegespräch auf den vorderen Plätzen gewesen sein. Wie im Autositz eingegossen werde ich eine Stunde später wieder aus der Traumwelt zurückgeholt und muß noch die Stufen in die Wohnung schaffen ...
Die Pläne vom Klettern am nächsten Tage waren wohl etwas - nun optimistisch würde ich das nennen. Essen, Ausruhen wenig Bewegen - die Praxis.
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