Stories aus der Sandmausgeschichte

Der etwas andere Pfingstausflug  ein Bericht von Thomas

Pfingsten 1996 hatten wir uns die klassische Tour am Großglockner vorgenommen, die Pallavicini-Rinne. Wir, daß sind Schnatzi, Fabo, Christiana und Thomas, also mal eine "reine" Sandmausunternehmung.
    Es mußte also nur noch das Wetter mitspielen. Bei der Abfahrt in Dresden hatte sich dieses noch nicht entschlossen, in welche Richtung es tendieren wollte. So wurde natürlich noch das "Ausweichvariante-Arco-Kletterzeug" eingepackt, ein Muß für jeden ambitionierten Alpengeher.
    Am Großglockner angekommen wurden unsere ärgsten Erwartungen bestätigt: wolkenverhangene Berge, viel Neuschnee und wenig Sicht, dazu in den unteren Lagen ein andauernder Regen. So fiel uns die Weiterfahrt nach Arco auch sehr leicht. Nur, was macht man dort bei Regen? Richtig, erst mal Eis essen und die Kletterläden durchstöbern.
    Der nächste Tag kündigte sich jedoch mit schönstem Sonnenschein an und sofort war das Kletterfieber geweckt. So verbrachten wir einen herrlichen Tag in der imposanten Wand des Colodri, wo Schnatzi und Fabo eine Mehrseillängentour (6c) im rechten Wandteil gelang sowie Christiana und Thomas die Verschneidungs- und Rippen-kletterei in der Route "White Crack" (6b+) genießen konnten.
    Was wurde nun aber aus dem Traum "Pallavicini-Rinne"? Wir besannen uns darauf und nach einem ermutigenden Telefongespräch mit der österreichischen Bergwacht düsten wir wieder gen Norden.
Großglockner endlich in der Sonne
Im Parkhaus an der Großglocknerstraße angekommen wurden wir dann auch mit herrlichstem Sonnenschein begrüßt. Beim Blick über den Gletscher "Pasterze" hinüber zum Großglockner sahen wir dann endlich unser Ziel: in der Nordostwand des Berges zog sich mehrere hundert Meter die Pallavicini-Rinne hinauf und endete in der Scharte zwischen den Gipfeln des Groß- und des Kleinglockners. Aus dieser Perspektive wirkte sie äußerst steil und man konnte erste Zweifel an unserem Vorhaben nicht so schnell verdrängen.
    Im Winterraum der Hofmannshütte machten wir es uns für die Nacht bequem. Noch im Dunkeln war am nächsten Morgen Aufbruch. Unser Ziel für heute war eine Biwakschachtel, ein paar hundert Meter nördlich vom Einstieg zur Rinne in etwa 3300m Höhe gelegen. Beim Überqueren der Pasterze wurden wir immer wieder durch markerschütterndes Krachen im Gletscher unter uns erschreckt. Vorsichtig tasteten wir uns vorwärts. Wegen der guten Sichtbarkeit der Spalten verzichteten wir auf das Anseilen. Das sollte sich aber als Fehler erweisen, denn ein paar Spalten sind doch durch die anhaltenden Schneefälle der vergangenen Tage verdeckt worden. Ein Krachen durchbrach urplötzlich die Stille. Wo eben noch Schnatzi stand, gähnte uns ein Loch in der Schneedecke an. Vorsichtig tasteten wir uns zur Unglücksstelle. Unsere ärgsten Befürchtungen verflogen glücklicherweise, als Schnatzi’s Ruf zu uns nach oben drang. Er war wohlauf, eine schmale Eisbrücke in ca.7m Tiefe hatte seinen Sturz aufgehalten. Schnell ließen wir ein Seil hinab, als Hilfe beim rauskriechen sollte es ausreichen. Als er dann ans Tageslicht zurückkam mußten wir sehen, daß er sich durch das Eispickel eine klaffende Wunde an der Hand zugezogen hatte. War eine Kletterei durch die Pallavicini-Rinne unter diesen Bedingungen für Schnatzi noch möglich? Sollten wir das ganze abbrechen? Wir entschlossen uns, erst mal zur Biwakschachtel (diesmal angeseilt!) aufzusteigen und die entgültige Entscheidung zu vertagen.
in der Steilrinne des Großglockners
Am nächsten Morgen entschied sich Schnatzi für den Weiterweg nach oben. Wir querten also zum Einstieg der Rinne und in Zweierseilschaften stiegen wir hinauf. Glücklicherweise sanken wir 10-20cm in den Firn ein, was uns ein sicheres Klettern in der nun 50° steilen Flanke ermöglichte. Die vorangegangenen Schlechtwettertage hielt auch potenzielle Gipfelaspiranten vom Aufstieg auf den Großglockner ab und so konnten wir unbeschadet von größerem Steinschlag vorwärtskommen. An schönen Sommertagen, wenn sich Massen am Gipelgrat zwischen Klein- und Großglockner entlangdrängeln, ist die Rinne ein Auffangtrichter für die dann losgetretenen Steine.
    Die letzten drei Seillängen erforderten dann etwas mehr Aufmerksamkeit: einsetzendes Blankeis bei zunehmender Steilheit sowie abschließend kombiniertes Gelände erschwerten unseren Aufstieg. Am späten Nachmittag erreichten wir dann endlich den Grat. Wegen der vorgerückten Zeit verzichteten wir auf den abschließenden Gipfelgang. Wir freuten uns nur noch auf ein schönes Essen und ein Nachtlager in der Erzherzog-Johann-Hütte. Zu unserer großen Enttäuschung mußten wir aber feststellen, daß diese noch nicht bewirtschaftet wurde. So blieb nur der Abstieg zu unserem Ausgangspunkt, der Hofmannshütte. Mehr schlecht als recht fanden wir den Normalweg hinunter zur Pasterze. Die Hütte erreichten wir dann erst bei vollkommener Dunkelheit.
    So nahm unsere Pfingstfahrt also doch noch ein erfolgreiches Ende. Doch halt, ich vergaß ja zu erwähnen: am nächsten Tag mußten wir noch mal zur Biwakschachtel aufsteigen und unsere Schlafsäcke holen. Die hatten wir doch zurückgelassen um uns damit nicht beim Klettern zu belasten. In unserem grenzenlosen Optimismus glaubten wir ursprünglich noch daran, die Rinne auch wieder abzusteigen und hier ein zweites Mal zu übernachten.
    So bekamen wir also die Möglichkeit, beim Auf- und anschließenden Abstieg ein weiteres Mal Schnatzi’s Unglücksstelle zu begutachten und konnten uns nur gegenseitig auf die Schulter klopfen, daß dieser Sturz so glimpflich geendet hatte.