Stories aus der Sandmausgeschichte |
PAMIR`96 ein Reisebericht von Thomas |
Auch im Sommer 1996 sollte es wieder in die großen Berge gehen. Dieses mal hatten wir uns als Ziel den Pik Kommunismus auserkoren, mit seinen 7495m der höchste
Berg der ehemaligen Sowjetunion. Die Sandmäuse waren bei dieser Expedition stark vertreten, es waren dies: Christiana, Volkmar, Jörg "Schnatzi", Ulf und ich. Außerdem erhielten wir noch
Verstärkung durch Bernd "John" Mehnert. Später sollten dann auch noch Thomas Böhmer und Jörg Ehrlich zu uns stoßen. Doch wie es uns so ergangen ist, will ich nun der Reihe nach erzählen.
2.-3.Aug Die Abreise gestaltet sich schon etwas aufregend. In klapprigen Boings fliegen wir mit der noch jungen russischen Fluggesellschaft "Transaero" nach Moskau. Unterwegs kämpfen wir mit "Lufthuckeln", nur Schade, daß wir gerade unser Essen serviert bekommen haben. Außerdem war ich so unklug und habe mir den ganzen Rotwein aus der Flasche ins Glas geschüttet. So fliegt also Wein und Essen durch das Flugzeug, ergießt sich auf meine und Nachbars Hosen. Den anderen ergeht es aber auch nicht viel besser und so sieht es im Flugzeug wie nach einer Schlacht aus. In Moskau angekommen bittet man uns wegen des Übergepäcks zur Kasse: für jeden sind das 51,50 Dollar, da können wir noch so schimpfen. Weiter geht es dann nach Taschkent, wo man eine weitere böse Überraschung für uns parat hält. Wir müssen nämlich erfahren, daß unser Visum erst ab dem nächsten Tag gültig ist. So finden wir uns also im total überhitzten Transitraum ein und schlagen die Zeit bis zum nächsten Morgen tot. Man sieht, der Urlaub fängt gut an. 4.-8.Aug Mit dem Bus "kämpfen" wir uns Etappenweise Richtung Pamir. Im Alaital, in Daraut Kurgan ist erst einmal Schluß. Von hier aus gedachten wir einen Hubschrauberflug in das Basislager zu bekommen. Tja, das war einmal. Zur Zeit finden keine länderübergreifenden Flüge mehr statt, wir sind hier in Kirgistan und das Basislager am Moskwinagletscher befindet sich in Tadschikistan. Also müssen wir erst einmal irgendwie anders über die Grenze kommen. Bis zur Grenze fährt uns ein Bus, dort ist dann aber Schluß. Wegen des anhaltenden Bürgerkrieges in Tadschikistan ist der Grenzverkehr fast zum erliegen gekommen. Zwei Tage warten wir an der Grenze bei sengender Hitze auf irgendein Gefährt, nur John`s immer wieder gern geäußerter Spruch "So nah waren wir dem Pik Kommunismus noch nie" muntert uns noch auf. Am Abend des zweiten Tages kommt dann die Erlösung: ein LKW wird von den Grenzern angewiesen, uns mitzunehmen. Das macht er dann auch bis zum nächsten Dorf. Dort genießen wir die Gastfreundschaft des Dorfschmieds. Er berichtet uns, daß in Muk, einem Ort ungefähr 30km entfernt, wohl ab und zu mal Hubschrauber starten sollen. Er könnte unsere Rucksäcke mit dem Pferdefuhrwerk transportieren, allerdings müsse er noch Hufeisen schmieden und das Pferd beschlagen. Am nächsten Tag könnte es dann losgehen. Was bleibt uns also übrig, wir lassen uns darauf ein. Genießen wir also noch etwas die Gastfreundschaft und schauen mal, wie aus einer alten Traktorwelle Hufeisen geschmiedet werden. 9.-12.Aug Endlich können wir uns wieder mal bewegen. Mit leichtem Gepäck, die schweren Rucksäcke liegen auf dem Pferdefuhrwerk, wandern wir Richtung Muk. Auf staubigen Wegen passieren wir eine karge Landschaft, eingerahmt von den Bergen des Pamir. Die Überquerung des Muksu bereitet noch einmal Probleme, das Pferd weigert sich, über die schwankende Hängebrücke zu gehen. Ohne Fuhrwerk und unter gutem Zureden will es dann doch. Hinter Muk erblicken wir dann zu unserer großen Freude einen Hubschrauberlandeplatz: das Alpinistenlager Alp-Nawrus. Die Odyssee findet hier also ihr vorläufiges Ende. Im Lager werden wir herzlich von den Hütern, einem alten Paar, aufgenommen. ![]() Für uns werden zwei Zelte mit Feldbetten hergerichtet. Es gibt Früh, Mittags, Abends lecker Essen, das ganze drei Tage lang, denn so lange müssen wir uns noch
bis zum nächsten Hubschrauberstart gedulden. Das ganze Ambiente erinnert uns irgendwie an alte Ferienlagerzeiten. Zur Akklimatisation machen wir eine kleine Zweitagestour, besteigen
dabei einen Paß von ungefähr 4000m Höhe. Unterwegs kommen wir an einem Goldwäscherlager vorbei, werden von den freundlichen Menschen mit Tee und Brot bewirtet. Zurück im Alpinistenlager gibt
es ein Überraschungsessen, ein Tadshike hat ein Murmeltier gefangen und das gibt es jetzt in allen möglichen Variationen bei uns auf dem Tisch. Auch hier hat John einen Spruch parat: "Was
weg ist pfeift nicht mehr". Am Abend vor unserem Abflug kommen Thomas B. und Jörg E. an. Sie haben den Pik Lenin bestiegen und sind hochmotiviert für das nächste Abenteuer.
13.-15.Aug Endlich ist es soweit - unser Flug ins Basislager. Dort empfängt man uns nicht ganz so freundlich, sind wir doch keine potentiellen Geldgeber. Allein haben wir uns bis hierhin durchgekämpft und wollen keine teuren Zelte und Essen im Basislager in Anspruch nehmen. Desweiteren haben wir Leistungen im Lager Alp-Nawrus in Anspruch genommen, die eigentlich nur für die geldgebenden Klienten gedacht waren. Etwas am Rand des Lagers richten wir uns häuslich ein. Abends geht es dann in die "Bar", wo Jörg E. uns ein Bier anläßlich seines 1-jährigen Jubiläums der Broad-Peak-Besteigung ausgibt. Hier sollten wir uns noch öfter einfinden und schöne Stunden vor allem mit den tanzwütigen Japanern verbringen. Leider gibt es gleich zum Anfang eine traurige Nachricht: auf dem Hochplateau vom Pik Kommunismus (ca.6000m) befinden sich drei Iraner, einer schon tot, ein anderer verletzt. Wegen des anhaltend schlechten Wetters können die zwei noch Lebenden weder runter noch kann jemand zu ihnen hoch. Tage später kann nur noch einer von ihnen gerettet werden. Wir nutzen trotzdem die ersten Tage für unterschiedliche Aktionen zur Akklimatisation. Schnatzi und Ulf besteigen den MFTI (5600m), Jörg E. und Thomas B. versuchen sich am Pik Kommunismus, was aber wegen dem nicht so optimalen Wetter schon im Keim erstickt, und der Rest steigt schon mal zum ersten Lager (5100m) des Pik Korshenewskaja. 16.-19.Aug Da uns nicht viel Zeit bleibt, begeben wir uns schon zur nächsten Akklitour. Ziel ist der 6300m hohe Pik der Vier. Volkmar, Christiana, John und ich brechen zusammen auf. Jörg E. will gar nicht erst mitkommen, hat er diesen Berg doch schon bei einem früheren Aufenthalt bestiegen. Die anderen wollen am anderen Tag folgen. Am ersten Tag kommen wir bis zum Wandfuß auf etwa 5100m, am nächsten Tag ersteigen wir die steile Firnflanke bis auf 5700m. Ein bequemer Biwakplatz läßt sich hier nicht finden, der Hang ist zu steil. Bei einer Ansammlung von Steinen hacken wir eine Plattform für das Zelt aus, gegen den aufkommenden Wind stapeln wir etliche Steine drum herum. Leider finden nur drei Mann Platz im Zelt und so beschließt Volkmar, draußen im Biwaksack zu kampieren. Ich finde das ziemlich heldenhaft, wird das Wetter doch immer ungemütlicher. Am nächsten Morgen ist herrlicher Sonnenschein. Leider will Volkmar wegen Kopfschmerzen nicht mit auf den Gipfel, er steigt zum Lager 1 ab. Zu unserer großen Verwunderung steht etwa 300m von uns entfernt ein weiteres Zelt, es sind unsere drei Freunde. Sie sind am gestrigen Tag bis hier aufgestiegen und haben uns in der aufkommenden Dunkelheit knapp verfehlt. Gemeinsam können wir den Gipfel erstürmen. Die restlichen 600 Höhenmeter werden noch einmal steiler, mittags haben wir es dann geschafft. Es wird wieder zunehmend stürmischer und es fängt an zu schneien, die Sicht geht gegen Null. Zum Lager hinunter seilen wir uns deshalb über größere Strecken ab. In der Nacht wachen wir immer wieder nach Luft ringend auf, wird doch unser Zelt regelmäßig eingeschneit und bei drei nach Luft schnappenden Mäulern ist der Sauerstoff dann schnell aufgebraucht. Am nächsten Tag ist wie zum Hohn dann wieder herrlichster Sonnenschein. Im Lager 1 treffen wir Volkmar und gemeinsam steigen wir zum Basislager ab. 20.-21.Aug Nach den Anstrengungen der letzten Tage lassen wir es uns zwei Tage gutgehen. Das bedeutet viel Schlaf, wenig Bewegung und viel Essen. Nur einer ist unermüdlich bei der Sache: Jörg E. versucht ständig, die Massen für den Pik Kommunismus zu begeistern. Durch das wieder einsetzende schlechte Wetter entmutigt und wegen der noch geringen verbleibenden Zeit bis zu unserem Abflug stehen wir der Sache eher skeptisch gegenüber. Da der Wetterbericht dann aber eine Woche gutes Wetter voraussagt, tragen die Bemühungen von Jörg E. doch noch bei John und Schnatzi Früchte. Christiana, Ulf und ich sehen aber am Pik Korshnewskaja größere Besteigungschancen und so gehen wir eben getrennte Wege. Volkmar und Thomas B. beschließen, schon vorzeitig nach Hause zu fliegen. Am letzten gemeinsamen Abend nehmen wir deshalb wie gehabt einen Trunk in der Bar. ![]() An Fixseilen gesichert traversieren wir steile Eishänge und erreichen vor Anbruch der Dunkelheit das Lager 4 auf etwa 6100m. Es ist nur ein schmaler Platz auf einem Grat, für ein Zelt reicht es gerade so. Wie in einem Adlerhorst sitzend, können wir nach zwei Seiten die steilen Bergflanken hinunterschauen. Am Gipfeltag dann wird von uns gleich am Anfang eine Klettereinlage gefordert, glücklicherweise ist die Stelle durch ein Fixseil entschärft. Einen teilweise scharfen Grat geht es aufwärts, zur linken ein mehrere hundert Meter tiefer Steilabbruch, zur rechten ein spaltendurchsetzter steiler Firnhang. Leider meint es der Wettergott nicht so gut mit uns - Wolken ziehen auf und hängen sich an unserem Berg fest. Die Sicht wird geringer und wir verlieren uns immer wieder aus den Augen, so daß wir öfter aufeinander warten müssen. Wegen der fortgeschrittenen Zeit und der schlechten Routenfindung entschließen wir uns schweren Herzens etwa 100m unter dem Gipfel zur Umkehr. Am nächsten Tag haben wir nicht noch einmal die Kraft für einen zweiten Versuch, obwohl die Sonne wie zum Hohn scheint. Wir steigen bis zum Lager 1 ab und genießen den Nachmittag. Erst am nächsten Tag gibt es mit den anderen ein großes Hallo im Basislager. Wie ist es nun den anderen drei in der Zwischenzeit am Pik Kommunismus ergangen? Sie stiegen an einem Tag bis zum Hochplateau auf 6000m. Am nächsten Tag dann sollte es bis auf 7000m gehen, bei 6500m war aber bei Schnatzi Schluß, der Vortag hatte zu sehr geschlaucht. Als der Husten von Jörg E. dann auch immer stärker wurde, entschlossen sie sich zur Umkehr. Als Trost verbleibt uns, daß wir wenigstens alle wieder heil unten angekommen sind und uns diese zwei Berge als künftige Ziele noch erhalten bleiben. 27.Aug -1.Sept Zwei ganze Tage verbringen wir noch im Basislager. Diese Zeit nutzen wir, um Bekanntschaften auszubauen, unseren Körper in der Sauna zu pflegen, eine spanisch-französische Mannschaft im Volleyball zu besiegen, zum Eisklettern, zum Sekt trinken und zu noch viel mehr. Dieses Mal bringt uns der Hubschrauber direkt bis Karamyk an die tadschikisch-kirgisische Grenze. Wie gehabt verbringen wir dort viel Zeit mit Warten auf eine Transportmöglichkeit. Glücklicherweise bekommen wir eine Jurte als Unterschlupf, ist das Wetter doch verdammt ungemütlich geworden. Der Winter hält im Pamir langsam Einzug. In Zweiergrüppchen geteilt kommen wir so nach und nach weg. Christiana und ich haben das Pech, in eine klapprige Kiste gesteckt zu werden, die aus unerfindlichen Gründen öfter stehenbleibt. Auch das Benzin geht zweimal aus und einer muß mit dem Eimer los, um im nächsten Dorf neues zu besorgen. Langsam drängt die Zeit, wollen wir doch ein Flugzeug erwischen, welches am 1.9. von Taschkent abfliegt. Kurz vor der Angst erreichen wir das Flughafengebäude. Zu unserer großen Freude treffen wir auch Jörg E. und Ulf dort. Wo aber ist Schnatzi und John? Die sollten wir erst in Moskau wiedertreffen, sie sind von Taschkent einen Tag eher los. Ohne Probleme reisen wir dann nach Hause und damit war wieder Mal ein abenteuerlicher Urlaub zu Ende. |