Stories aus der Sandmausgeschichte

Beim Schmied in Tadshikistan  von Volkmar

Den Weg bis zum Pik-Lenin-Basislager kannten wir von unserer Expedition 1994. Zum Pik Kommunismus muß man jedoch das letzte Stück mit dem Hubschrauber fliegen. Doch von wo aus man das kann, wußten wir nicht. Das ändert sich auch ständig. Mit dem Bus waren wir nun schon bis zur Tadschikischen Grenze vorgedrungen. Jeder Einheimische, der schon mal einen Hubschrauber irgendwo hatte landen sehen glaubte, dort sei der gesucht Landeplatz und wollte uns an die entsprechende Stelle schicken. Irgendwie ließen wir uns aber immer weiter in die richtige Richtung treiben. Ein Ort auf der anderen Seite eines Durchbruchstales war nun unser nächstes Ziel. Doch vorerst saßen wir mal an der Grenze fest, denn Fahrzeuge gab es fast keine. Auf einen Minitraktor klemmten sich noch zwei Leute doch sonst war nichts los. Ein größerer Pulk von Leuten wartete auf den Versorgungslaster. Der beschaffte aus dem nächsten größeren Ort in diesem Fall Osch die nötigen Lebensmittel. Der schwere LKW rollte dann auch nach zwei Tagen kurz vor der Dämmerung heran. Alles, was noch da war stieg mit Sack und Pack ein, dann ging die Post ab. Auf haarstäubenden Bergwegen röhrte das Stahlmonster in halber höhe der überaus tiefen Schlucht mit teils besorgniserregender Schräglage dem Ende der Enge entgegen. Dann ein Halt. Fast alle müssen aussteigen - falls doch etwas passiert - denn nun wird es noch eine Stufe bedenklicher. Hoch, runter, links, rechts - in alle Richtungen hüpft der Wagen, ich habe Geburtstag und darf weiter mitfahren. Durch die schmale Luke in der Ladewand schaut man über das Fahrerhaus hinweg und sieht - mal die Schlucht, mal den Himmel, mal den sandigen Gebirgsweg, der die LKW-Straße darstellt. Der Fahrer ist Experte - muß er aber auch. Er meistert die Strecke, doch als wir im nächsten Ort eintreffen, sind auch die Wanderer schon gleich wieder da. Im Dunkeln erreichen wir einige Zeit später den Ort, wo wir hinwollten?! Wie das dort eben so ist, und bloß gut, daß es so ist, stehen viele Leute herum, als der Laster mit uns eintrifft. Einige wollen uns gleich zu sich einladen. Man bedenke: Sechs Ausländer mit Haufenweise Gepäck! Ein lustiger Mensch gewinnt unsere Gunst und führt uns zu sich nach hause. Schnell ist ein Raum für uns als Bleibe gefunden und sind Tee und eine Suppe bereitet. Nun müssen wir erzählen. Die Themen ähneln sich oft - Name, woher ah Deutschland dort war ein ...Verwandter von mir bei der Armee, kennt ihr Dessau ... habt ihr denn schon Kinder ... was noch nicht. Mein Sohn ist 22, der hat schon zwei Kinder ... Wann willst Du heiraten ... wenn es soweit ist komme ich aber auch und bringe ein Schaf mit ...
  Der Schmied ist echt lustig. Nun wollen wir wissen, ob er weiß, von wo aus man mit dem Hubschrauber fliegen kann. Und - er weiß es. Auch will er uns dahin begleiten, doch das geht nur zu Fuß, da Benzin und Auto in dieser Reihenfolge nicht zu haben sind. Als Unterstützung will er unsere Rucksäcke auf sein Pferdewagen packen, denn 40 Kilometer mit insgesamt 40Kg Gepäck auf jeweils zwei Rucksäcke verteilt sind zu Fuß nicht eben angenehm. Nun muß noch das Pferd für den steinigen Weg beschlagen werden und man muß aufgrund der Hitze schon in der Nacht aufbrechen. Das heißt am nächsten Tag ist `Pferd beschlagen` dran. Am anderen Morgen gehen wir einige Meter in die Umgebung und schauen den Leuten auf den Wiesen und Feldern zu, nutzen auch die Gelegenheit uns im klaren Bergfluß zu waschen. Ulf sieht teilweise aus wie ein Steuselkuchen, so sehr hat ihn in der Nacht ein Floh gepiekt. Frauen bieten uns frischen Kefir an, Christiana probiert ihn und will nachher gern das Gefäß weiterreichen, doch niemand will sich hier noch den "Flotten Otto" holen. Mittags ist dann der Schmied in seinem Element. Aus irgend welchen Stäben schmiedet er vier Hufeisen und Hufnägel. Das ist schon mal ein echtes Erlebnis, über Stunden mit zu verfolgen, wieviel Arbeit nötig ist, um einem Pferd mal kurz paar neue Schuhe zu verpassen. Dann holt er seinen Schwager, Bruder, Vater ... herbei, denn das Pferd muß festgehlten werden. Hufe werden ausgeschält, die Eisen angepaßt, Nägel eingeschlagen. Viermal das Ganze. Am späten Nachmittag ist es geschafft, das Pferd ist bereit für den nächsten Tag, wir sind es auch.
  Im Dämmerlicht werden die Rucksäcke aufgeladen, festgebunden, dann geht es endlich los. Ein, zwei Stunden verdecken noch die Berge die Sonne, dann brennt sie auf uns herab. Latsch, latsch ... endlos. Um die Mittagszeit erreichen wir einen Ort. Hier wohnt wieder ein Bekannter des Schmiedes, Teepause. Köstlich. Bald gehts aber weiter. Ich tappe mit Jörg zusammen dem Pferdefuhrwerk und den anderen nach. Hier ist mal wieder Zeit über alles mögliche zu schwatzen und irgendwie kommt man unbemerkt voran. Im Muksu-Tal wird es ein Hauch interessanter bis wir nach einem kleinen Bergfluß die Brücke über den Muksu erreichen. Typ: Handgeschnitzte Hängebrücke. Die Stahlseile sind solide, der Untergrund aber etwas zusammengeürfelt - irgendwelche Bretter. Das Pferd ist nur ohne Karre bereit, da hinüber zu gehen. Also tragen wir das Gepäck ziehen den Karren und auf der anderen Seite wird alles wieder hergerichtet. Für insgesamt zehn Dollar pro Nase bringt uns der Schmied das Gepäck sogar noch bis zum Lager, wartet, ob alles klar geht und macht sich dann mit unserem Dank und Geld wieder auf den Rückweg. Ob wir nun zum Basislager von dort aus fliegen konnten und was noch so geschah, lest ihr in der Zusammenfassung Pamir 96 von Thomas.