Stories aus der Sandmausgeschichte

Nähmaschine ohne Strick  von Kathrin

Die Südwand hatten wir uns wieder einmal als Einstieg in den herrlichen Klettertag im April ´94 vorgenommen.. Es ist ein beliebter Weg, deshalb marschierten wir schnurstracks zum Türkenkopf. Aber wir waren nicht die ersten. Eine Seilschaft war schneller. Also mussten wir uns noch ein Weilchen gedulden. Am Fuße des Berges angekommen, stieg der Vorsteiger der Seilschaft gerade am Ring vorbei. (Eigentlich holt man hier nach, da ein nicht so einfacher Quergang folgt und der weitere Weg im AW um die Ecke endet.) Ob er es eilig hatte oder was ihn sonst bewegte, einfach durchzusteigen- keine Ahnung. Sein Nachsteiger folgte jedenfalls erst, als der Vorsteiger auf dem Gipfel saß.
  Während dessen bereiteten wir uns vor. Und freuten uns auf die herrliche V. Als der Nachsteiger in Ringhöhe war, stieg Tim in aller Ruhe, das schöne Wetter genießend ein. Weit kam er aber nicht, und die Ruhe wurde jäh unterbrochen: He, zieh das Seil nicht ein!!! Das Seil ist weg!!!! He!!! Was war das? Da stand doch einer mittellos und frei im Quergang und schrie gen Himmel! (Was man wissen sollte: Wenn er dem Vorsteiger etwas mitteilen will, muss er gegen die Feldwand rufen, sonst hört der nichts!) Sein cleverer Vorsteiger saß auf dem Gipfel und glaubte zu hören, dass er das Seil einziehen soll - nun er tat dies zumindest! Am Fuße des Berges neben mir versammelten sich 2 wackere Bergfreunde, die ihrem Kameraden wohl Mut zusprachen. Nun erst betrachtete ich mir die Gestalt in der Wand näher. Er hatte ja gar keinen Gurt um! Aha ein alter vom Berge! Eine 10er oder12er Schlinge hatte er sich um die Brust gewickelt! An seinen Füßen entdeckte ich ein paar olle Turnschuhe , Marke ausgedient und in seinen Jeans eine mächtige Nähmaschine nur den Strick nach oben konnte ich nicht mehr sehen! Auf meine vorsichtige Anfrage an seine Kameraden, warum er denn nicht mit einem Gurt klettere, antwortete man mir: Ja wir wollten uns noch beim Hudy ausstatten, aber er hatte schon zu! Aller klar- Hudy war schuld, das der wackere, nicht gerade eine gute Figur machende Anfänger frei in der Wand stand.
  Nun war guter Rat teuer! Aber da der Tag erst begann, hatten wir ja Zeit, uns dem Kameraden anzunehmen, damit er nicht unter die natürliche Selektion fiel! In Windeseile eierte Tim zum Ring. Gegen unseren Plan stieg er gleich weiter, legte noch ein paar Schlingen, so gut es ging und gelangte bald darauf bei dem entsetzt dreinschauenden Bergkameraden an. Dieser war nicht mehr in der besten Verfassung, so dass Tim ihm viel Mut zusprechen musste und nebenbei ihn noch mit ein paar Schlingen versuchte, am Fels festzubinden. Dann machten wir dem Gipfelbuben klar, dass er das Seil gefälligst wieder herunter lassen solle wahrscheinlich hat er mittlerweile selbst gemerkt, das sein Gefährte nicht mehr am Seilende hing! Wer den Türkenkopf kennt, weiß, daß die Südwand im oberen Teil ausreichend überhängend ist und genau darüber kam das Seil wieder herunter. Nun die Situation am Ouergang: Kamerad Zitterpappel war fast am Ende seiner Kräfte und Nerven Tim probierte in etlichen Versuchen, das Seil zu erhaschen, was mehr als eine Armweite vom Fels weghing. Irgendwann gelang es ihm und er knotete das Ende wieder - diesmal richtig - an die Brusteinbinde des Nachsteigers. Entnervt und mit zittrigen Knien machte dieser weiter. Die Kameraden neben mir hatten schon längst das Weite gesucht, wahrscheinlich war der Anblick für sie unerträglich!
  Tim war am Ring zurück. Bald darauf war auch ich da und als wir auf dem Gipfel ankamen, machten sich unsere zwei Abenteuerkletterer gerade auf den Rückweg. Nicht das ihr glaubt, man hat sich bei Tim bedankt. Nicht ein 'Berg heil' brachten sie über die Lippen. Unwissenheit, Übermut oder Lebensüberdrüssigkeit was auch immer die beiden hinauf trieb, wenn sie so weiter machen, hilft auch ein 'Berg heil' nicht mehr!