Im Jahr 1997 sah man schon einmal eine größere Gruppe Sandmäuse in den Cevennen am Vereinigungspunkt von Jonte und Tarn um die Osterzeit die Felsen unsicher machen. Damals kannten wir das Tarntal noch nicht als Sportklettergebiet so daß unser volles Interesse der Felsgruppe "Cirque des Vases" im Jontetal (Gorges de la Jonte) galt.

Dieses ist teilweise auch als Geiertal bekannt, da einige Geierarten dort wieder angesiedelt wurden und nun diese riesigen Vögel zum Teil auf wenige Körperlängen entfernt am Kletterer vorbeischweben. Damals also widmeten wir uns den Mehrseillängern im Jontetal und hatten von diesem eher erlebnisbetonten Klettern nach fünf Tagen genug.
Einzige Ausnahme der von einigen belächelte Sektor Bodybuilding, ein 45grad überhängender Block mit fünf ca 8-10m langen Wegen. Birk und ich konnten dort unsere zu diesem Zeitpunkt schwersten Wege abhaken (Turquise 7b+) und fanden den Sektor deshalb auch gar nicht so schlecht.
Einige Jahre vergingen und als es mal wieder Ostern darum ging, wo man denn hinfahren könnte, stand wieder Le Rozier und Jontetal auf dem Plan. Das war 2001. Es gab keinen aktuellen Kletterführer vom Jonte- dafür aber einen vom Tarntal - auch gleich um die Ecke. Die beschriebenen Wege häufen sich im mittleren siebenten Franzosengrad es gibt aber auch Sechser und Achter - Fünfer sind sehr rar.
Mit unserer buntgemischten Truppe waren Sektoren gefragt die alle Bereiche aufweisen (die Achter mal ausgenommen). Das ganze ähnelte eher einem Klettertourismus bei dem man immer neue Felsen kennenlernt und gleich mal einige Wege klettert. Einige der Felsen haben wir dann nie wieder aufgesucht, aber das macht ja erstmal nichts. Kanufahren, Höhlen besichtigen, durch kleine französische Orte schlendern, shoppen und gut essen gehen oder einfach in der Sonne auf dem Zeltplatz abhängen, das gibt ein Kletterurlaub im Tarntal her. Ähm sonnen? Fällt mir doch ein, daß wir Windschutz und Regendach aufgebaut hatten und am Ende zwei Tage eher wegen Hagelschauern abgereist sind. Kommt vor.

Im darauffolgenden Herbst waren Ulli und ich abermals vor Ort. September, richtig schönes Wetter, fast schon zu warm - Swimmingpool auf dem Zeltplatz. Diesmal kämpfte ich zum ersten Mal richtig lange um das Punkten einer Tour in einem Kletterurlaub. Bisher hatte ich höchstens mal ein zwei Versuche in den Wegen angesetzt und deshalb auch nie so schwierige Touren anvisiert. Diesmal wollte ich gerne eine 7c schaffen. Eine neue Schwierigkeit für mich.
Da hat man dann diese Mauer im Kopf - "das kann ja gar nicht gehen, das ist zu schwer". Und siehe da ein Versuch nach dem anderen mißglückt. Eigentlich wollte ich in Ruhe wieder moderate 7er klettern und dann das.
Die Tage verstreichen, mal ist ein Ruhetag fällig, mal fühle ich mich auch so nicht fit. Doch dann kommt der Tag, 13.September 2001. Von den schrecklichen Terroranschlägen in den USA haben wir nur wie von einer Sage reden hören und glauben das noch nicht, wundern uns nur etwas, dass öfter als sonst Jagdflugzeuge wie irre durch das Tal donnern.
Es ist Nachmittag geworden, Martin Pötschke und seine Freundin sind auch wieder da - Martin versucht La Bomba und schafft es später noch. Dann endlich gelingt mir der Durchstieg von "ya qua". Für den letzten Zug hatte bisher die Kraft nicht gereicht - plötzlich geht es ziemlich gut.
Die letzten zwei Tage sind gerettet Urlaub mit moderaten Wegen ist angesagt.
Halbes Jahr später - wir klettern im Tarntal. Im Frühjahr sieht man hier viele Raupen in langen Ketten auf den Straßen, auf den Wegen, am Felsen - überall. Diese entwickeln sich später zu dem eher unscheinbaren Falter mit dem übersetzten Namen "Pinienprozessionsspinner". Hier meine dringende Warnung. Vorsicht vor diesen behaarten Raupen! Diese Haare brechen ab, verteilen sich auf dem Waldboden, sind im Kletterzeug und später an der Kleidung wenn man nicht aufpasst. Die Haare können beim Menschen schwere Allergien auslösen und das nicht nur in seltenen Spezialfällen sondern eher bei vielen, nur die Stärke ist unterschiedlich. Ich habe an allen betroffenen Stellen sowas wie kleine Mückenstiche von der Wirkung her bekommen. Nun tausende von Mückenstichen sind sicher nicht toll. Glücklicherweise bei mir meist nur an den Händen und nur einige Dutzend (vom Seil auf das einige Raupen gestürzt waren, auch wenn es im Seilsack liegt), aber man sollte sehr aufpassen. Wer jetzt abgeschreckt wurde - fährt eben im Herbst hin. Im Winter liegt Schnee und im Sommer ist es zu heiß. Also im Frühjahr 2002 gab es für uns wieder entspanntes Tarntalklettern und eine 7c für mich sprang auch wieder heraus. Die Mauer im Kopf war weg, alles ging ganz flott.
Dann verging ein ganzes Jahr - ein gaaanzes Jaahr, bevor wir mal wieder in Le Rozier Quartier nahmen. Ich denke mal die Frau von der Anmeldung kannte uns immer noch nicht, wir sie aber schon. Von uns als der "Schießhund" bezeichnet entgeht ihr keiner der wohl nicht seine Zeltplatzgebühr ordnungsgemäß entrichten will oder sonst irgend welchen Unsinn treibt. Der Zeltplatz ist ok und sauber und der Schießhund eigentlich auch ganz human.

Diesmal bleiben wir nicht allein, Uli und Manu mit ihrer 8 Monate alten Hanna stoßen dazu und eine Woche später auch Lutz und Birk. Es ist so ziemlich wie immer, klettern bis zum Umfallen an bestem Fels mit herrlichen Ausdauerrouten. Fast jeder Weg taugt etwas - die Schrottquote ist sehr gering und meist erkennt man die Schwarzen Schafe auch schon von unten.
Für Uli und Manu wird es eine Herausforderung die Hanna zum Schlafen zu bringen, dann schnell ein zwei Wege zu klettern um nachher wieder dem kleinen Wesen seine Wünsche von den Augen abzulesen bzw aus dem Geschrei herauszudeuten.
Wir anderen können uns dagegen ziemlich gelassen dem Fels nähern und mal wieder testen, was so geht. Mir hat es zwar eine 8a angetan, doch da ist wieder diese Mauer und diesmal scheint sie noch etwas höher. Ausserdem ist da noch eine schwere 7c die mich auch nach einigen Versuchen noch ziemlich alt aussehen läßt. Da die 8a wohl doch noch etwas zu schwer ist versuche ich es mit der 7c beides wird nichts nun ja Pech gehabt. So die eine oder andere 7 ist ja trotzdem geworden und eine 7c war auch wieder dabei.
Der Leser ahnt schon - das war noch nicht das Ende vom Lied. Herbst 2003. Die gute Frau vom Zeltplatz, erkennt doch tatsächlich, daß wir die ersten in dem Jahr auf dem Zeltplatz waren und nun auch fast die letzten sein werden, denn Mitte/Ende September ist hier Schicht im Schacht und vor Ostern liegt alles noch im Winterschlaf.
Wir wollen nun vorerst mal einen Schlußstrich unter die Erlebnisse im Tarntal ziehen, denn viele andere schöne Klettergebiete haben schon Zeichen gesetzt und wenn es uns gelingt unsere verbliebenen Projekte hier zu knacken und keine neuen aufzutürmen, dann können wir beruhigt das Kapitel abschließen.
Doch da war doch noch die 8a und die Mauer im Kopf. Ulli hat sich eine 7a+ vorgenommen und hat sie eigentlich drauf, scheitert aber bisher immer wieder. Birk hatte mir einen Weg empfohlen "ganz leichte 8a - arnaque.com". Der Weg ist gut, wie ja fast alles hier, Ullis Projekt gleich daneben und so ergibt es sich, dass ich meine erste 8a völlig unspektakulär eben mal klettere.
Ich mag ja dieses Gerede um vermeintliche Schwierigkeiten überhaupt nicht, dient es doch meist nur der Selbstdarstellung der entsprechenden Leute. Wenn jemand sich z.B. an diesem Weg voll gefordert in einer 8a sieht, weil ihm eben irgendwie die Route nicht liegt, sie dann schafft und sich darüber freut, es endlich vollbracht zu haben, dann war es für ihn eben die 8a. Für mich ging alles viel zu gut - also wohl eher nicht 8a, wäre ja auch zu schön gewesen.
Eine bestimmte 7c - nämlich die vom letzten Mal macht mir da momentan noch viel mehr Probleme. Diese von mir heißumkämpfte 7c im "Grand Toit" gelingt erst Tage später - ich glaube, mein schwerster Weg bis dahin - zumindest im Tarntal.
Es bleiben noch einige Tage, mein Projekt ist in greifbarer Nähe. Ich weiß jetzt, ich kann es schaffen, aber werde ich es auch? Mittlerweile hat Ulli ihre 7a+ geschafft und kann sich jetzt auch entspannt um weitere 7er bemühen - "alles Zugabe".

Die vergangenen zwei Tage habe ich um mein Projekt gerungen es fehlt nicht viel eigentlich muß es gehen, aber ich fall ab. Immer die gleiche Stelle. Letzter möglicher Tag, zweiter Versuch. Verrissen. Doch kann ich es vielleicht auch so, wie es die anderen immer probieren, das scheint etwas kürzer zu sein und damit schneller - weniger Kraftverlust, entscheidende Stelle - mehr Kraft. Ich bouldere es mal aus und - was ich nicht geglaubt hätte, denn als ich das erste mal vor zwei Jahren die Griffe angefasst hatte schien mir diese Lösung nicht machbar - ich kann die Züge auch - so wie alle anderen. Dritter Versuch - erster der Normallösung, entscheidende Stelle - "jetzt schmeißt du mich nicht ab, jetzt nicht" - jump - Leiste - andere Hand dazu, zack, zack - No-Hand-Rest. Der Ausstieg ist nicht mehr so schlimm.
Geschafft. Juchhu. Das wars jetzt.
Eigentlich gar nicht so wild, wenn alles passt. Jetzt, da alle alten Projekte gelöst sind was bleibt noch übrig ... kilometer besten Felsens. Unmengen schönster 7er Wege. Harte Projekte und und und... Mal sehen, wann es wieder heißt - Tarntal wir kommen. Dieses Jahr aber erstmal nicht und was dann kommt - wer weiß.
Die 8a heißt übrigens Bar-Bitturique und ist im Sektor Güllich. Obiges Bild zeigt mich bei einem Versuch im Mittelteil der Route, der "Rausschmeißer" kommt an der Dachkante.
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